Der TSV feiert sein 100-jähriges Bestehen

Presseartikel von Hans Knapp erschienen am 14.01.2006 im Viernheimer Tageblatt.

Logo zur 100-Jahr-Feier des TSV Viernheim

Der TSV feiert sein 100-jähriges Bestehen

Die diesjährigen 100-Jahr-Feiern von Vereinen und Instititionen, so weit es solche gibt, sind vorrangig. Im neuen Jahr 2006 feiert der TSV sein 100-Jähriges, ohne Rücksicht darauf, dass er ja aus der DJK herauswuchs, die 1933 "sterben" musste durch die Naziregierung.

 

1920: aus der Sodalität wurde die DJK

Im Sommer 1906 wurde auf Anregung von Kaplan Jakobi, Präses der "Marianischen Jünglings-Sodalität" der "Fußballclub Sodalität" gegründet. Präfelet der "Sodalität" war damals Georg Winkler und erster Präsident des Sportclubs war Karl Hoffmann. Einige der 23 Gründer schieden wegen ihrer Verheiratung bald aus. Im Jahre 1907 traten weitere Jugendliche dem Club bei. Notieren wir kurz den organischen Wandel der Fußballabteilung der Sodalität: Im Herbst 1920 schlossen sich die Sodalitätsfußballer dem gerade gegründeten Verband der "Deutschen Jugendkraft" an und führte jetzt den Titel DJK. Die Mitglieder, die nach dem Naziverbot weiter Sport treiben wollten, gingen zum TV. Im Jahr 1946 vereinigten sich auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung die Sport treibenden Vereine im TV 1893, von dem sich 1951/52 der Turnverein 1893 abspaltete. Während in einigen Orten der Umgebung Viernheims die DJK wieder erstand, folgte man in Viernheim dem damaligen Trend, mit dem von der Gründung religiöser Sportvereine abgesehen wurde. Feiern wir trotzdem die 100 Jahre des organisatorischen Fußballs; die „Buben“ haben ja auch vor 1906 den Ball gekickt. Kaplan Jakobi, der in Hohensülzen Pfarrer geworden war, starb 1962 im Heppenheimer Schwesternhaus. Als 70-Jähriger war er nach Viernheim gekommen und hat sich mit den TSV-Sportlehrern über die früheren Zeiten unterhalten. Der TSV-Ältestenrat hatte alle Mitglieder zu diesem Treffen eingeladen, die auch zahlreich gekommen waren. Sagen wir auch das noch, dass die DJK nur im eigenen Verband spielte. Schon 1922 erreichte sie nach einem 9:2-Sieg gegen Mainz-Mombach die Gau-Vize-Meisterschaft.

 

Das Spielfeld musste gerodet werden

Als Spielplatz diente zunächst ein wenige Meter breiter Geländestreifen im Gemeindewald hinter dem früheren "Waldsportplatz", den es jedoch damals noch nicht gab; es war eine ungefähre Waldblöße. Das Vereinslokal war kurz der "Freischütz" und ab 1910 der "Eichbaum" in der Wasserstraße und nach dem Krieg die "Harmonie" in der Friedrichstraße, in der ich mich später als Spieler der Privatmannschaft umzog. Nach dem von der Gemeinde genehmigten Abholzen des benachbarten Wäldchens wurde der Platz größer. Es war für die Akteure ein schweres Stück Arbeit beim Fällen der Bäume und dem Ausbuddeln der Wurzelstöcke. Es waren mehrere kleine Sandhügel einzuebnen. Das Spielfeld war danach 70 Meter lang und 35 Meter breit. Verständnis für den Fußball hatte die Bevölkerung damals noch nicht, wie es in einer Chronik von 1931 heißt. Leute spazierten während der Spiele durch die Fußballer. In Sportkleidung durften sich die Spieler im Ort nicht zeigen, dann hieß es: "Guckt mal, diese Narren!" An den Bäumen am Spielfeldrand hingen die Zivilkleider. Diese Situation gilt allerdings nur für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Und das, obwohl es 1909 neben der Sodalität auch schon die "Amicitia", die "Alemannia", die "Viktoria", den "Sportverein" und den "Sportclub" gab.

 

Kirchenäcker wurden zum DJK-Stadion

Im Jahre 1923 verlor die DJK zum zweiten Mal das Spiel um die Gaumeisterschaft, diesmal gegen Bürgel. Zum 50-Jährigen der marianischen Sodalität 1923 spielte zum ersten Mal das Trommler- und Pfeifercorps der DJK, das in allen weiteren DJK-Veranstaltungen für Glanz und Schimmer sorgte (laut Chronik von 1931 durch Joh. Adam Martin). Man erkannte schließlich, dass der alte, tiefsandige Platz den spielerischen Aufschwung behinderte. Ich erinnere mich tatsächlich noch als jugendlicher Zuschauer, wie sich der Kaplan als Mitspieler durch den Sand wühlte. Mit Hilfe von Pfarrer Wolf, dessen Kirchengemeinde und der ganzen Bevölkerung kam es schließlich zum DJK-Stadion am Lorscher Weg. Pfarrer Wolf stellte dazu mit Erlaubnis der Diözese 1700 Quadratmeter große Gelände (Kirchenäcker) zur Verfügung, wofür zunächst 250 Mark Jahrespacht zu zahlen waren. Zahlreiche Jugendkraftler beteiligten sich unentgeltlich an den Platzarbeiten. Für 1800 RM wurden 72 Wagen Schlacken bezogen. Die Jungbauern schafften es mit 700 Fuhren herbei. "Von unseren Freunden", so in der Chronik, wurden 7000 RM gesponsert und außerdem Materialien gespendet. Die Laufbahn mit Geländer, die 600 Meter Umzäunung, das Tor mit den Kassenhäuschen kosteten 15000 RM, wo durch unentgeltliches Material 5000 RM gespart wurden. Im Sommer 1930 kamen zwei Spielfelder dazu und wurde auch die Sporthalle erbaut, für 18000 RM (wieder 5000 RM eingespart).

 

Ein Professor hielt die Einweihungsfestrede

Anteil an der bewundernswerten Gemeinschaftsleistung zur Schaffung des DJK-Stadions hatten auch die Jungbauern. Am Kirchweihdienstag 1926 pflügten sie das große Stück Ackerland. Nach dem Pflügen machten die 33 Jungbauern mit ihren Pferden einen kleinen Umzug durch einige Straßen, wie schon gemeldet, schafften sie auch die für den Sportboden benötigten Schlacken vom Bahnhof herbei, und zwar unter der Leitung von Peter Belz. Die Einweihung des Platzes wurde am 19./20. Juni 1927 groß gefeiert. Am Samstagabend zog ein Fackelzug von der Lorscher Straße vor die Apostelkirche, wo Pater Ulrich aus Mannheim eine würdige Ansprache hielt. Am Sonntagmorgen gabs den Festzug in umgekehrter Richtung. Nach dem Festgottesdienst mit Präses, Kaplan Heinz, und der Predigt von Dr. Regner. Auf dem Platz übergab Architekt Kühlwein das Stadion dem Festpräsidenten, Gemeinderat Georg Klee 2., der die Festteilnehmer herzlich begrüßte. Die Festrede hielt der Reichstagsabgeordnete, Professor Dr. Dessauer, Frankfurt. Nach dem Rückmarsch der Vereine, mit Musik, erfolgte im "Freischütz" ein Festessen. Nach dem Nachmittagsgottesdienst kam es zum Festzug mit Corsogehen und dann folgten die Wettkämpfe leichtathlediger Prägung für die Jugend, die "Alten Herren" und die aktiven Sportler. Dem Ehrenausschuss gehörten 31 und dem Festausschuss 46 honorige Bürger und prominente Behördenvertreter ab, darunter Pfarrer Wolf, Schulrat Dr. Weil, der Viernheimer Oberschulrat Hofmann, Bürgermeister Lamberth, Dr. Rudershausen, Polizeiinspektor Ludwig, Postmeister Schmitt, der spätere Heimatforscher Karl Müller und mehrere Gemeinderäte.

 

1930 schon 12 Fußballmannschaften

Für die heutigen TSV-Mitglieder durfte es auch bemerkenswert sein, welche von ihren Bekannten, Verwandten damals die Führungsarbeiten leisteten. Von 1926 bis 1930 war die Mitgliederzahl auf 650 angewachsen und 1930 waren in der DJK aktiv: vier Senioren-Fußballmannschaften je drei Junioren-, Jugend- und zwei Schülermannschaften. Es gab auch ein Alte-Herren-Team, vier Handball- und zwei Faustballmannschaften und selbstverständlich auch die Leichtathleten. Präfekt war Adam Sax Sekretär und Kassier Hans Laist und dem Vorstand gehörten außerdem Adam Bugert, Michael Bugert, Mathias Faber, Phil. Grammig, Gg. Helbig, Hans Helbig, Michael Jöst, Karl Zöller und Franz Gutperle an. Als Vereinsdiener war jederzeit hilfsbereit: Joh. Gg. Schmitt. Als Sportleiter stand Mich. Werle und als Geschäftsführer Theo Mandel zur Verfügung. Dem Spielausschuss gehörten: Nikl. Schlosser, Mich. Haas, Karl Kempf, Joh. Valtin Hofmann, Hans Beikert, Andr. Müller, Hans Helfrich 7., Gg. Helbig, Matth. Faber, Nikl. Winkler, Nikl. Blank, Valt. Helbig Hans Hanf, Fritz Bläß, Adam Schmidt, Adam Bugert, Jak. Hanf, Lehrer Valt Hofmann. Sagen wir auch das noch: Zur Vorbereitung und Einweihung des Stadions waren nicht weniger als fünf Ausschüsse gebildet worden, der Finanz-, der Presse-, der technische, der Wirtschafts- und der Ordnungsausschuss.

 

Die DJK-Leichtathleten glänzten bei Ortsmeisterschaften

In den 1970er-Jahren wurde eine neue Sporthalle gebaut, finanziert von der Stadt. Die alte Halle genügte den sportlichen Ansprüchen nicht mehr. Zum Hand- und Faustball, der Leichtathletik-Abteilung und dem Turnen kam ja das Tischtennis, das Basketballspiel, später auch noch der Thriatlon dazu. Auch die schon erwähnte Erweiterung des Platzes hatte zum Aufblühen des Vereinslebens geführt. Die TSV-Fußballer zeigten sich der „Amicitia fast ebenbürtig, dazu gedenkt mir ein von der beidseitigen Verbandsrunde getrenntes Treffen mit der "Amicitia" (2:2). Dazu darf ich sagen, dass die TSV-Fußballer heute sogar zwei Klassen höher um Punkte kämpfen. In bester Erinnerung stehen die TSV-Leichtathleten, die schon in den 1920er-Jahren bei den Ortsmeisterschaften glänzten: Adam Hanf, Nikl. Brechtel, Hans Beikert, Jak. Neudörfer, Nikl. Thomas, Ludwig Weißenberger, Jak. Menz, Jak. Winkenbach. Von 1924 bis 1927 siegten die TSV-Leichtathleten jährlich im Staffellauf "Rund um Viernheim". Adam Hanf, der leider den Krieg nicht überlebte wurde 1927 in Köln zweiter Reichsmeister im 1500-Meter-Lauf. Die Fußballer wurden 1929 erstmals Gaumeister im DJK-Verband. Die Handballabteilung war 1928 von dem langjährigen Vorsitzenden Nikl. Winkler gegründet worden. Nach der Auflösung durch die "Nazis" 1933 spielten die TSV-Handballer beim TV 1893. Als Abteilungs- bzw. Jugendleiter können aufgrund der Festschrift "50 Jahre Handball" genannt werden: N. Winkler, C. Rutz, J. Martin, A. Klee, J. Martin, E. Winkler, Gg. Beckenbach, Josef Unrath, K. Schornik, J. Helbig, Kl. Falkenstein. Die Tischtennisabteilung, 1981 mit fünf Senioren- und neun Schüler- und Mädchen, wurde damals von Erich Neckermann betreut. Seit 1968 bestand die Basketball-Abteilung, die ein Jahr gar in der Zweiten Bundesliga spielte, hatte neun Senioren-, Jugend- und Schülermannschaften. 1968 bekam der TSV einen Fanfarenzug, gegründet von Günther Grübel. 1981 wurden 30 Akteure von Musiklehrer Seidel aus Bürstadt ausgebildet. Den Spielmannszug gibt es schon seit 1924, den Michael Bugert bis 1933 leitete. Zu den Gründern gehörten auch Hans, Phillip und Peter Grammig.

 

Jetzt kommt ein komplettes Festbuch

Als Vorsitzende der Nachkriegszeit seien neben N. Winkler auch Fritz Rödel, Adolf Effler (12 Jahre) und Gustav Spiller (ab 1966) genannt. Spiller hat sich um die Breitenentwicklung des TSV sehr verdient gemacht. Im zur Seite standen Horst/Tubach und Werner Schirmer (2. Vorsitzende) Peter Müller als Geschäftsführer, Herbert Friedel als Rechner, Erich Neckermann und Manfred Hofmann, der übrigens auch heute noch aktives Mitglied ist. Nicht vergessen sei Engelbert Winkler, der nach dem Krieg bis 1970 das arbeitsreiche Amt des Schrift- und Geschäftsführers bekleidete. Viele Jahre war Karl Rall Rechner und Vorstandsmitglied. Leider hat der TSV, abgesehen von Broschüren von Abteilungen, noch keine umfassende "Biographie" herausgebracht. Nun, Manfred Hofmann hat mir versprochen, dass zum 100-jährigen natürlich ein komplettes Festbuch erscheint. Dazu darf ich erklären, dass mein heutiger Bericht bei weitem nicht vollkommen ist. Er sei vorrangig als Hinweis auf das bevorstehende große TSV-Jubiläum gedacht. Die Ergänzung überlasse ich einem anderen Ortsjournalisten.

 

Lob und Anerkennung für Kaplan Jakobi

Sagen wir noch etwas zum Gründer des Viernheimer "Fußballs", dem Kaplan Jakobi. Ihm gilt Lob und Anerkennung für seine Bereicherung der Jugendarbeit, übrigens auch abseits vom Fußball. In einer Zeit, da es noch kein Kino, kein Fernsehen, kein Auto, nicht einmal ein Fahrrad gab für die meisten Jugendlichen, keinen Urlaub, keine Ausflugsfahrten und einiges mehr noch nicht gab und die jungen Leute nach sechs vollen Arbeitstagen ohne Zweifel das Bedürfnis hatten, mit Spielen und anderen Unterhaltungen auszuspannen. In Viernheim gab es 1906 wahrscheinlich noch keinen Fußball-Sachverständigen. Deshalb unternahm es Kaplan Jakobi, selbst Lehrmeister zu sein. Es gab anfangs natürlich nur Trainingsspiele, das erste Wettspiel - einige wurden sehr hoch verloren - fand erst 1907 statt. Am Sonntagnachmittag trabten die Spieler nach dem Kaffee zum Spielplatz, wo sie bis zum Abendessen kickten. Sie kamen nach und nach und griffen auch nacheinander ins Spiel ein, machten ab und zu Pause und hörten auf, wenn sie müde geworden waren. Der Kaplan spielte selbst mit, und zwar mit dem Regelbuch in der Hand und der Trillerpfeife im Mund. Beim Fehlverhalten kam der Pfiff und seine Stimme: "Halt! So muss gespielt werden!" Mit der Zahl der Spieler pro Mannschaft nahm man es nicht so genau. Es mussten nicht gerade die Elf auf jeder Seite stehen, es konnten auch mal weniger und sogar mehr sein. Allmählich wurden die Grundregeln gelernt, was ja nicht so einfach war: "Aller Anfang ist schwer!" Viele der Gründer schieden mit ihrer Verheiratung aus und machten Nachfolgern Platz.