Affront gegen Trainer und Mitspieler

FUSSBALL: Vogelstangs Trainer Char nimmt Sydlo vom Platz - und Orsolini geht einfach mit

Sonntagnachmittag, es ist kurz nach halb drei. Die Reserve des TSV Viernheim führt im Stadion an der Lorscher Straße wenige Minuten vor dem Schlusspfiff gegen den SSV Vogelstang mit 4:1 und steht unmittelbar vor ihrem dritten Heimsieg. Ein durchschnittliches Fußballspiel neigt sich dem Ende entgegen. Eine Partie, über die normalerweise schon wenige Stunden später kaum noch ein Mensch sprechen würde. Doch dann folgte ein Stück aus dem Tollhaus, oder besser gesagt aus dem Kuriositätenkabinett des Fußballs. Zwei Akteure des SSV, mit einer Entscheidung ihres Trainers nicht einverstanden, verließen kurzerhand das Spielfeld - und sorgten damit für ungläubiges Staunen bei Zuschauern, Verantwortlichen und Spielern gleichermaßen. Doch was war geschehen?

Die Mannheimer hatten bereits drei Mal gewechselt, als sich Viernheims Steffen Usler und Vogelstangs Marcus Sydlo an der Mittellinie beharkten. Usler: "Nach einem Allerweltsfoul von mir hat Sydlo gegen mich nachgetreten. Der Schiedsrichter hat das nicht gesehen, wohl aber der Trainer des SSV Vogelstang." Und der reagierte sofort und forderte Sydlo unmissverständlich auf, den Platz zu verlassen - was dieser zunächst partout nicht einsehen wollte. SSV-Coach Michael Char: "Das habe ich früher auch schon gemacht. Die Begegnung war doch längst entschieden. Lieber spiele ich mit zehn Mann zu Ende, bevor wir noch eine Rote Karte bekommen." Zumal Sydlo nicht nur für sein aufbrausendes Temperament, sondern vor allem für seinen Torriecher bekannt ist - für den SSV ist der 30-jährige Goalgetter kaum zu ersetzen, eine Sperre wäre fatal.

Was Char allerdings nicht auf der Rechnung hatte, war die Reaktion von Sydlos Sturmpartner Daniele Orsolini. Der solidarisierte mit seinem Mannschaftskameraden und verließ aus Protest gegen die Trainerentscheidung ebenfalls das Spielfeld. Der SSV stand plötzlich nur noch zu Neunt da. "Klar waren wir alle erst einmal perplex", räumt Char ein. "Aber die ganze Mannschaft hat super reagiert. Wir haben die Viernheimer in Unterzahl richtig unter Druck gesetzt und sogar noch das 2:4 erzielt."

Erledigt ist die Angelegenheit damit aber natürlich noch nicht. "Ich erwarte eine Entschuldigung", betont Char. Weitere Konsequenzen stehen allerdings nicht im Raum. "Für die Medien ist das ein gefundenes Fressen, aber ich finde, man sollte die Sache nicht zu hoch hängen. Wir werden das intern klären." Als Undiszipliniertheit will der Coach die Aktion nicht gewertet wissen. Denn dann wäre - zumindest im Fall Orsolini - wahrscheinlich hartes Durchgreifen angesagt.

Schließlich hat der Klub erst vor kurzem einen Spieler wegen Disziplinlosigkeit aus dem Kader gestrichen und damit die knallharte Linie vorgegeben. "Wer sich nicht im Griff hat, ist nicht tragbar für den Verein", erklärt Char, der damit auf die Ereignisse der Vorsaison reagiert. Neun Rote und etliche Gelb-Rote Karten standen da für den SSV Vogelstang am Ende der Spielzeit zu Buche - ein absoluter Spitzenwert, wenn auch in negativer Hinsicht.

© Südhessen Morgen - 24.10.2006